Meine Matchboxautos in gefährlichen Situationen

Rüdiger Fischers Serie Meine Matchboxautos in gefährlichen Situationen entfaltet eine leise, zugleich eindringliche Poetik der Miniatur. Die fünf Arbeiten verbinden zwei Welten des Spielzeugs, die sich sonst nie begegnen würden: die Matchboxautos der eigenen Kindheit und die Spielzeuge der eigenen Kinder. Aus dieser Überlagerung entsteht ein zeitloser Raum, in dem Generationen nicht nacheinander, sondern nebeneinander existieren.

Die Szenen wirken wie eingefrorene Momente eines Spiels, das ebenso gut Jahrzehnte früher hätte stattfinden können. Ob ein roter Drache über einen Ford Mustang herfällt, eine Barbie sich auf einen Campingbus stützt oder ein Nashornkäfer das Dach eines Mercury Fire Chief rammt – all diese Konstellationen folgen der Logik des kindlichen Spiels, das Gefahr, Drama und Übertreibung nicht nachahmt, sondern hervorbringt. Kinder haben immer das Unmögliche arrangiert: Figuren verschiedener Größen gegeneinander antreten lassen, Autos zu Helden oder Opfern gemacht, Bedrohung erfunden, um Spannung zu erzeugen. Fischer greift diesen Impuls auf und behandelt ihn mit künstlerischer Ernsthaftigkeit.

Die Nahaufnahmen verleihen den Szenen eine unerwartete Intensität. Die Kamera rückt so nah an die Objekte heran, dass ihr alltäglicher Maßstab zerfällt. Das Spielzeug wird zu einem eigenen Kosmos, in dem die Materialität eine Präsenz gewinnt, die im Alltag verborgen bleibt. Die glänzende Oberfläche des Käfers, die abgenutzte Lackierung des Autos, die glatte Plastikhaptik der Figuren – all das erscheint plötzlich monumental. Die Dinge werden zu Akteuren, die ihren Platz im Bild behaupten und miteinander in Beziehung treten, ohne dass ihre ursprüngliche Funktion noch Bedeutung hätte.

Gleichzeitig tragen die Objekte eine biografische Ladung. Die alten Matchboxautos zeigen Gebrauchsspuren, Geschichte, Erinnerungsfragmente. Sie tragen Zeit sichtbar in ihrer Oberfläche. Die Spielzeuge der Kinder dagegen wirken fast übermächtig, als Vertreter einer neuen Lebensphase. Wenn diese Dinge aufeinandertreffen, entsteht ein Dialog, den kein Text herstellen könnte. Die Vergangenheit erscheint nicht als Erinnerung, sondern als physischer Bestandteil einer gegenwärtigen Spielsituation.

Die Bilder sind jedoch nicht nostalgisch. Sie suchen keine verlorene Kindheit. Sie zeigen vielmehr, wie Formen der Fantasie weitergegeben werden. Der kindliche Drang, gefährliche Situationen zu erfinden, wird nicht ironisiert, sondern ernst genommen. Jede Szene trägt einen Funken jener Freiheit, in der es keine Rolle spielt, ob die beteiligten Objekte zueinander passen. Alles darf interagieren – organische Wesen mit Plastikfiguren, Miniaturautos mit übergroßen Puppen, historische mit modernen Modellen. Die Welt des Spiels ist eine Welt, in der Maßstäbe keine Grenzen setzen, sondern Möglichkeiten eröffnen.

Darin liegt der Kern der Serie: Die Arbeiten funktionieren wie kleine Theaterstücke, deren Logik aus dem Moment des Spielens entsteht. Das Spiel kennt keine Chronologie; es unterscheidet nicht zwischen „damals“ und „heute“. Es erzeugt einen Raum, in dem alles gleichzeitig existieren kann. Fischer hält diesen Zustand fest. Er zeigt nicht das Spiel selbst, sondern die Konstruktion einer möglichen Welt – eine, wie sie ein Kind oder ein Erwachsener in Erinnerung jederzeit herstellen könnte.

Meine Matchboxautos in gefährlichen Situationen ist damit weit mehr als eine humorvolle Miniaturserie. Sie ist eine Betrachtung darüber, wie Dinge Geschichten tragen, wie Generationen sich in denselben Objekten spiegeln und wie Fantasie zu einem verbindenden Prinzip wird. Die Arbeiten zeigen eine Welt, die nicht der Realität verpflichtet ist, sondern der Möglichkeit